Angesichts sinkender Mitgliederzahlen

Evangelisches Gemeindezentrum auf der Hohen Wart in Herbrechtingen könnte an Adventisten verkauft werden

Das evangelische Gemeindezentrum auf der Hohen Wart in Herbrechtingen steht zum Verkauf. Die Adventisten zeigen Interesse an der Immobilie, um ihre Gemeinde zu erweitern und neue Aktivitäten umzusetzen. Der Verkauf könnte das Gebäude vor dem Abriss retten.

Das evangelische Gemeindezentrum auf der Hohen Wart in Herbrechtingen soll verkauft werden. Einen potenziellen Käufer gibt es auch bereits, auch wenn alle Beteiligten betonen, das Verfahren stehe noch am Anfang. Interessent ist die evangelische Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, deren Gemeinde derzeit noch an der Heidenheimer Talstraße angesiedelt ist.

Das Gemeindehaus auf der Hohen Wart, gegenüber dem Restaurant „Königshof“ gelegen, ist zwar die jüngste Immobilie der evangelischen Kirchengemeinde, für die Räume gibt es aber kaum mehr Bedarf, weil die Zahl der Gemeindemitglieder gesunken ist. „Als ich vor sechs Jahren kam, konnte mir niemand sagen, warum wir eigentlich zwei Gemeindehäuser haben“, erzählt Pfarrer Michael Rau. Bislang habe man versucht, die Häuser gleichmäßig zu nutzen und habe beispielsweise die Gottesdienste akribisch genau aufgeteilt. Auch der Kirchenbezirk nutze die Immobilie recht gern – weil sie meist verfügbar sei.

Das Gemeindezentrum wird wegen schrumpfender Gemeinde nicht mehr benötigt

Dennoch gab es zunächst nicht den Plan, einen Verkauf aktiv anzugehen, so Rau. Anfang des Jahres habe sich aber Schuldekan Dr. Harry Jungbauer mit der Nachricht gemeldet, dass die Adventisten ein neues Domizil suchen. Damit tat sich eine Möglichkeit auf, die zunächst niemand erwartet hatte.

„Wir haben zwar damit gerechnet, dass wir das Gebäude irgendwann verkaufen müssen“, sagt Rau, dennoch sei man im Kirchengemeinderat erst einmal erschrocken, als das Thema Verkauf konkret wurde. Beim zweiten Nachdenken habe man aber die Chance erkannt: Beim Verkauf an einen Investor wäre es recht wahrscheinlich, dass das Gemeindezentrum schlicht abgerissen und das Grundstück neu bebaut würde. „Da würde uns schon das Herz bluten“, so Rau. Würde dagegen eine andere christliche Gemeinschaft die Immobilie übernehmen, wäre der Fortbestand des Gebäudes mit seinem großen Saal für Gottesdienste mutmaßlich gesichert.

„Das Kirchengebäude in Herbrechtingen ist von großem Interesse für uns.“

Marcus Witzig, Pastor

Bei den Adventisten in Heidenheim bezeichnet man den möglichen Kauf derzeit noch als „Traum“. Pastor Marcus Witzig erklärt, die Gemeinde wachse, allerdings weise das bisherige Haus an der Talstraße erhebliche Mängel auf, Veranstaltungen wie Kindergottesdienste, Pfadfinderaktivitäten oder gemeinsame Mahlzeiten seien derzeit nur schwer umsetzbar. „Daher ist das Kirchengebäude in Herbrechtingen von großem Interesse für uns“, so Witzig. Es biete flexible Raumaufteilung, einen behindertengerechten Zugang, eine große Grünfläche und liege in einem verkehrsberuhigten Bereich, was für eine kinderreiche Gemeinde wie die seine wichtig sei, erklärt der Pastor.

Die Kirchengremien haben dem Verkauf grundsätzlich zugestimmt.

Die Adventisten hätten viele Aktivitäten und Pläne, die auf ihre Umsetzung warteten. Die Räume könnten auch „eine Bereicherung für andere Gruppen der Stadt Herbrechtingen“ darstellen, so Witzig. Erste Konzepte lägen vor, die in Gesprächen mit der evangelischen Kirchengemeinde in Herbrechtingen begrüßt worden seien. Bei einem Gemeindeabend im März wurden interessierte Mitglieder informiert. Nach Einschätzung von Pfarrer Rau werde ein Verkauf gerade für etliche ältere Gemeindemitglieder „schmerzhaft“ sein, das Verständnis für den angepeilten Schritt habe jedoch überwogen.

Der Kirchengemeinderat hat laut Rau in einer Sondersitzung dem Verkauf an die Adventisten grundsätzlich grünes Licht gegeben. Auch der Oberkirchenrat habe grundsätzlich seine Zustimmung erteilt. Vor dem Vollzug stehen allerdings noch mehrere Schritte an: Derzeit werde ein Wertgutachten erstellt, um den möglichen Kaufpreis zu ermitteln. Sollten sich die beiden Gemeinden einig werden, könnte der Verkauf im Laufe des Jahres über die Bühne gehen.

Wechselvolle Geschichte

Das Gemeindezentrum Hohe Wart wurde 1995 eingeweiht. Es war damals auch Sitz der zweiten evangelischen Pfarrstelle in Herbrechtingen, die bis 2011 von Susanne Schaaf-Bosch bekleidet wurde. Ihre Nachfolgerin Susanne Scharpf, im Amt von 2016 bis 2021, hatte nur noch eine 50-Prozent-Stelle inne. Nach ihrem Abschied wurde die Pfarrstelle aufgehoben, das Pfarrhaus wurde an die Evangelische Gesellschaft Heidenheim (Eva) vermietet. Auch die Zahl der Gemeindemitglieder sank seit den 1990er-Jahren kontinuierlich auf heute knapp 2800 in der Gesamtstadt. Mitte der 1980er-Jahre hatte die Zahl mit etwas mehr als 4000 Menschen ihren Höchststand erreicht, sodass der Bau eines eigenen Gemeindezentrums folgerichtig erschien.

Bereits seit 1965 stand auf der Hohen Wart ein Provisorium, ein sogenanntes Montage-Gemeindehaus, das man gebraucht im Remstal gekauft hatte. Offenbar handelt es sich um ein sehr robustes Provisorium, denn als es in Herbrechtingen nicht mehr benötigt wurde, gab man es an die Giengener Kirchengemeinde weiter, die es in der Memminger Wanne aufstellen ließ. Dort leistete es als Christian-Friedrich-Werner-Haus über Jahrzehnte gute Dienste.

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